Belvoir
Zu Glanzkrystallen fror der Schnee
Und glitzerte von Baum zu Baum
Wie Silberschaum…
Du hobst den Schleier in die Höh‘,
Und leise deiner Lippen Saum
Hab‘ ich geküsst…
Wo die Guirlanden
Voll Rosen sich im Sommer wanden,
Hing strohbedeckt und blüthenlos
Das Dorngerank…
Im weissen Schooss
Des menschenleeren Parkes lag
Die Villa, wo vor Jahr und Tag
Das Liebespaar vom Belvoir,
Stauffer und Lydia, glücklich war.
Und als den Arm um deine Hüfte
Ich leicht gelegt, und wir den Pfad,
Wo sich die Beiden gern genaht,
Mit schnellem Schritt hinuntergingen,
Jäh sah ich da zwei Schicksalsgrüfte
Tiefklaffend auseinanderspringen.
Der junge Bildner hob die Hand,
Die müde Hand, zum letztenmal,
Den Blick voll fürchterlicher Qual
Halb dem Gemälde zugewandt,
Das unerreichbar vor ihm stand,
Halb suchend mit des Wahnsinns Grauen
Die Frau, die Schierlingsmyrten wand.
Sich selbst dem Freier Tod zu trauen.
Wie Frosthauch das Phantom verschwand…
Du brachst ein breites, festes Blatt
Der immergrünen Stachelpalme
Und gabst es mir; ich that desgleichen
Zu dauernder Erinnerung Zeichen —
Dann eilten wir zurück zur Stadt,
Still lag der See und silberglatt.
* Der Maler Stauffer-Bern,
Gedichte, Zürich und Leipzig, S. 430-431. Online
Die Rheinlande, Juli 1901, S. 34. Online