Tischleindeckdich

Tischleindeckdich

Der reiche Chokoladenfabrikant
(Ihr kennt die kleinen Silbertäselchen
Der feinen Chokolade Menier,
Die Liebste schnökert gern sie im Theater)
Speist heut mit Gästen. Alles sitzt zu Tisch,
Doch keine Schwalben schwirren zum Serviren,
Kein weißer Shlips reicht meuchlings das Entree.
Baron Filetboeuf klopft sich schon den Magen.
Der Hausherr lächelt. Da erklingt ein Glöcklein
Im Tafelbouquet, draus Orangen blühen,
Und unter’m Tische drückt auf einen Knopf
Unmerklich schnell der Wirth. Im Augenblick
Hüpft auf ein zierlich Pförtchen an der Wand,
Und auf den Tisch zu rollt ein kleiner Wagen
Achträdrig auf hochspurigem Geleis
Das sich am untern Tafelende gabelt.
Rechts biegt sofort die Speiseeisenbahn.
Ein Druck. Baron Filetboeuf ist der Erste,
Bei dem sie hält, und staunend, schüttelnd, schnalzend,
Bedient er sich mit Morcheln und Pastete.
„Brillant!“ Geduldig wartet der Waggon.
Dann fährt von Baron Filetboeuf er weiter
Zur Comtesse Ananas de Boulanger,
Und Trüffselsauee schöpft die dünne Fee.
Und so von Gast zu Gast zum Kopf des Tisches
Und an der linken Seite wieder weiter,
Bis er den letzten Hungrigen getröstet
Mit feinem würz’gen Gourmangelium.
Dann stellt der Zaub’rer selber sich die Weiche
Und schwindet hurtig im Tunnel der Wand.
Die Tischgesellschaft aber rühmt den Einfall
Und preist die Wunder der Elektrotechnik
Und singt die Perigord und Ventadure
(Die Trüffeln mein‘ ich, nicht die Troubadoure),
Und reizt mit Wollust sich den Appetit…

Ein Klingling im Orangenftrauß. Ein Druck
Am Knopf. Die Pforte springt. Mit Spargeln
Und saft’gem Braten naht der Speisophor
Und ladet aus und holt die leeren Teller
Und taucht geschäftig in das dunkle Thor.
So läuft’s bis zu gefüllten Chokoladen,
Bonbons und Mandeln, Trauben, Frucht und Crème —
Baron Filetboeuf macht sich’s jetzt bequem
Und knüpft drei Knöpfe los an seiner Weste;
Ihr Spitzglas küßt Comtesse Ananas,
Und Allerseits wünscht Wohlbekomms auf’s Beste.

Diorama, Zürich 1890, S. 187-188. Online